„Im Terminal 3 setzen wir alles um, was technisch möglich ist“

Ortstermin Flughafen, Frankfurt am Main

Wolfgang Lohde (li.) und Bernd Wagenbach vor der Baugrube des Terminals
Ein Gespräch mit Wolfgang Lohde, Geschäftsführer Fraport Ausbau Süd GmbH (FAS), und Bernd Wagenbach, Geschäfts-führer Schüßler-Plan, über den kapazitiven Ausbau und das neue Terminal am Flughafen Frankfurt, das Wachstum der Cargo City Süd und die Vorzüge einer GmbH-Ausgründung


Am 1. Januar 2017 nahm die Fraport Ausbau Süd GmbH, gegründet als hundertprozentige Tochter der Fraport AG, ihren Betrieb auf, um den Ausbau Terminal 3 zu realisieren. Warum gründet die Fraport dafür eine eigene Gesellschaft?
Wolfgang Lohde: Die Fraport AG ist einer der wichtigsten Flughafenbetreiber weltweit und hat sich, als die heiße Bauphase für Terminal 3 begann, angesehen, welche Großprojekte in Deutschland gut gelaufen sind. Der Fokus lag hier auch auf der passenden Organisationsform zur Realisierung. Fazit: Eine flexiblere Projekt-GmbH hat viele Vorteile gegenüber einem Bereich im Konzern.

Welche?
Wolfgang Lohde: Eine GmbH kann sich innerhalb einer großen Konzernstruktur mit gewachsenen Einheiten natürlich etwas freier, schneller und unternehmerischer bewegen. Im besten Fall werden Formalien schneller und weniger komplex abgehandelt. Es wird erwartet, dass man seine fälligen Entscheidungen auf Basis von zuvor klaren Empfehlungen einfordert und berät seinen Auftraggeber in vertrauensvoller Zusammenarbeit im Hinblick auf finanzielle oder terminliche Risiken. Dies alles aus einer gesellschaftsrechtlich anderen Position als ein Angestellter. Diese notwendigen Prozesse lassen sich in einer GmbH leichter umsetzen, als wenn Sie in einen Konzern eingebunden sind. Ein Abteilungsleiter, Bereichsleiter oder Mitarbeiter in einem Großunternehmen muss bei Entscheidungen zahlreiche Interessen und interne Prozesse berücksichtigen. Das führt schnell zu Interessenkonflikten, die in Verzögerungen münden können. Im Projektgeschäft läuft das anders. Hier zählt nur das Projekt: in Time und Budget realisieren. Und, bei Flughäfen ganz wichtig: betriebsbereit bleiben. Mein Auftraggeber darf von mir als Geschäftsführer und erfahrenem Bauingenieur der FAS GmbH erwarten, dass Probleme möglichst früh erkannt, aufgezeigt sowie Lösungsoptionen als Empfehlung nachvollziehbar aufbereitet werden. Solche Empfehlungen erfolgen aus Sicht der GmbH erstmal rein aus der ehrlichen „Bau-Sicht“. Mit solch einer objektiven Betrachtung ist ein Auftraggeber unter Beachtung zahlreicher anderer Einflussfaktoren schneller in der Lage, zeitnah zu entscheiden. Dabei ist es wichtig, auch offen über negative Punkte zu sprechen – das fällt einer GmbH als eigenständiger Organisation sicher leichter.
Bernd Wagenbach: Das beschleunigt das Verfahren enorm. Wir haben häufig Diskussionen mit Vertretern der Verkehrsinfrastruktur Straße und Schiene. Dabei geht es stets um die Frage, warum Infrastrukturprojekte in Deutschland immer so lange brauchen. Die mittlere Umsetzungsdauer zwischen Ideenfindung und Inbetriebnahme von Verkehrsinfrastrukturprojekten beträgt in Deutschland 26 Jahre. Stellen Sie sich das einmal vor!

Sie haben keine 26 Jahre Zeit für den Terminal 3, Herr Lohde, oder?
Wolfgang Lohde: Sehr lustig! Als ich 2017 als Geschäftsführer anfing, haben wir den Terminrahmen aufgrund von eigenen Erfahrungen bei anderen Großprojekten auf das Jahr 2023 festgeschrieben. Das ist mein Ziel.

Herr Wagenbach, wie lassen sich Großprojekte in einem übersichtlichen Zeitraum realisieren?
Bernd Wagenbach: Großprojekte müssen raus aus der Regelstruktur. Sie müssen delegiert werden an eine Einheit wie die FAS, die schlank ist, schnell agieren kann und kurze Entscheidungswege ermöglicht. Ich bin mir absolut sicher, dass das Projekt Terminal 3 innerhalb der vorgegebenen Zeit umgesetzt wird. In erster Linie deshalb, weil man es ausgegründet hat. Das ist meines Wissens das erste Mal, dass die Fraport so etwas macht. Oder, Herr Lohde?
Wolfgang Lohde: Meines Wissens ja. Und es war mir wichtig, in einer solchen, etwas unabhängigeren Organisation zu handeln. Ich bin seit über einem Jahr hier im Projekt, sicher auch wegen der Erfahrungen, die ich unter anderem in München in einer ähnlichen GmbH sammeln durfte. Als Bauingenieur mit 30-jähriger Erfahrung in der Steuerung von Großprojekten bin ich bestens versorgt mit allen erdenklichen positiven und negativen Erlebnissen im Projektgeschäft. Der erforderliche Background und die nötige Motivation für ein solches Großprojekt sind ausreichend vorhanden. Ebenso liegt das bis ins Detail reichende Verständnis des Gegenübers bei Planung und Bau vor.

Über das Terminal 3 heißt es, es sei das modernste Terminal in Europa. Was ist das Besondere daran?
Wolfgang Lohde: Alt bauen geht nicht. Wir setzen hier alles um, was heute technisch möglich und nötig ist. Das zeigen schon folgende Zahlen: Circa 55 Prozent der Baukosten fließen bei einem Terminal in die technische Gebäudeausrüstung. Eine Bank liegt beispielsweise bei rund 37 Prozent, ein modernes Mehrfamilienhaus bei unter 30 Prozent. Für den Frankfurter Flughafen wird Terminal 3 ganz neue Standards setzen – und sicher auch über die Grenzen hinaus. Aber um die Werbung kümmern sich andere.

Was verbirgt sich hinter den 55 Prozent konkret?
Wolfgang Lohde: Nehmen wir die Sicherheitstechnik. Da geht es wie immer um Lautsprecheransagen im Notfall, die so genannte ELA-Anlage, die Sicherheitsbeleuchtung, die Entrauchungsanlagen, Brandschutzanlagen – all das, was Sie als Laie von außen wahrnehmen können und bereits kennen. In einem Terminal geht es aber auch um eine Vielzahl an technischen Spezifika, die es zum Beispiel in einer Bank so nicht gibt, wie mobile Fluggastbrücken, Personensteuerungssysteme, Gepäckbeförderungen, „§8-Türen“. Letztere sind hoch komplex und werden tausendfach verbaut. Etwa 17 Gewerke sind an einer Türanlage beteiligt und zu koordinieren. Zusätzlich sind 40 Gewerke in Sachen Informationstechnik beteiligt.

Wo kommt Technik noch zum Einsatz?
Wolfgang Lohde: Technik wird auch eingesetzt, um einen höheren Komfort als im Markt üblich zu bieten. Morgens wird es bei uns zum Beispiel relativ blaues Licht geben, damit die Leute wach werden. Gegen Abend dann warme, beruhigende Gelbtöne. Das hilft auch Fernreisenden, sich an die hiesige Zeitzone anzupassen. Dank modernster LED-Technik kein Problem – gut zu planen und zu realisieren. Die Luftsicherheitsgesetze einzuhalten, erfordert ebenfalls eine Vielzahl an Sicherheitstechnik. Diese wiederum wird in einem Ernstfall von der Not-Sicherheitstechnik der Brandfallsteuerung übersteuert – ohne dass bei jedem Fehlalarm gleich alle Kategorien an Passagieren auf dem Vorfeld stehen – egal, ob Schengen oder Non-Schengen.

Sicherheit ist ein entscheidender Punkt an Flughäfen.
Wolfgang Lohde: Ja, es geht noch weiter, etwa mit der Frage: Wie gestalten wir die Sicherheitskontrollen? Wir setzen hier möglichst die aktuellsten und neuesten Sicherheitsstandards um, die in Deutschland beziehungsweise in der EU gelten. Gesetzliche Änderungen oder technische Innovationen sind zu beachten – ein etwas ungewohntes Terrain für Architekten und Bauingenieure. Aber auch hier sind wir in der GmbH durch den Mix an Mitarbeitern, von erfahrenen „Fraportlern“ sowie Ingenieuren und Architekten vom freien Markt, gut aufgestellt. Denn Sicherheit hat am Frankfurter Flughafen oberste Priorität. Das schließt Komfort und schnelle Prozesse bei der Sicherheitskontrolle von Passagieren allerdings nicht aus. Derzeit wird geprüft, mit welchen Anlagen bei der Personenkontrolle ein höherer Durchsatz bei gleichbleibender Qualität erreicht werden kann. Neue Geräte müssen mit vorhandenen Platzverhältnissen in Einklang gebracht werden. Sicherheitsanforderungen aus dem Brandschutz dürfen wiederum nicht leiden und sind zu prüfen.

Das Fluggeschäft ist global und wettbewerbsintensiv. Wie schafft man es, auf diesem Markt zu bestehen?
Wolfgang Lohde: Das ist eine Frage, die der Betreiber, also Fraport AG, viel besser beantworten kann. Ich kann lediglich meine private Meinung als Bauingenieur wiedergeben: Klar, der Wettbewerb unter den Flughäfen ist hart. Und es sind tatsächlich internationale Tendenzen festzustellen, dass der Komfort in ausgesuchten Terminals ein Stück zurückgefahren werden soll. Stichwort: Low-Cost-Carrier. Das Thema beschäftigt sicher auch Fraport und wird bereits öffentlich diskutiert. Ein günstiger Flug für den Kunden zieht natürlich im Umkehrschluss sicher auch geändertes Investitionsverhalten nach sich. Ich glaube, das Maßgebliche bei Flughäfen ist heutzutage die Geschwindigkeit des Umsteigens und Zusteigens, die Aufenthaltsqualität, die Konnektivität, WLAN, Entspannung, wenn gewünscht – all solche Dinge berücksichtigen wir hier.

Herr Wagenbach, der Frankfurter Flughafen ist vertrautes Gelände für Sie. Mit welchen Projekten ging es los?
Bernd Wagenbach: Wir arbeiten seit September 1988 für den Flughafen. Unser erstes Projekt war die Tragwerksplanung für ein Werkstattgebäude. Wie viele Projekte wir seitdem hier geplant oder als Projektsteuerer begleitet haben, kann ich beim besten Willen nicht sagen, dazu sind es zu viele. Aber es gab natürlich eine Reihe Highlights.

Welche zum Beispiel?
Bernd Wagenbach: Sicherlich der Neubau der Landebahn Nordwest. Ein Riesenprojekt mit enormen Herausforderungen. Wir haben den Neubau des Flugsteigs A plus gesteuert, was quasi ein Terminal für sich ist. Über Terminal 3 mit seinen rund 40 Maßnahmen brauchen wir nicht weiter zu reden, das wird ebenfalls ein Highlight – so etwas macht man nicht oft im Leben. Wir haben das Glück, dass wir auch am Flughafen München eine Terminalerweiterung machen dürfen, aber das ist nur ein Bruchstück dessen, was hier entsteht. Auch die Neukonzeption von Flugsteig B hier in Frankfurt haben wir von der Planung bis hin zur baulichen Umsetzung begleiten dürfen. Kurz gesagt: Zum Glück für uns Ingenieure ist Fraport ständig in Bewegung, sodass es immer etwas zu bauen gibt. Wenn man beispielsweise hier aus dem Fenster schaut, auf die Cargo City Süd, das Gelände mit den Fracht- und Logistikunternehmen – stets ändert sich was, und immer wird gebaut.
Wolfgang Lohde: Die Cargo City Süd ist eine Erfolgsgeschichte, mit der vor 20 Jahren wohl niemand gerechnet hat. Das Straßenbild und die Anordnung der Gebäude haben sich nach und nach herausgebildet. Bald wird es wieder anders aussehen. Es werden Straßen gebaut, Brücken, ein Autobahnzubringer. Es finden Baumaßnahmen statt, wie sie in einer solchen Vielzahl und Konzentration selten vorkommen. Die Logistik wird hier eine Herausforderung – die Cargo-Transporte müssen trotz Bau fahren können.

Noch einmal zurück zum Terminal 3: Es soll 2023 fertig sein. Mit welchen Baumaßnahmen sind Sie aktuell beschäftigt?
Bernd Wagenbach: Sie haben wahrscheinlich bei der Ankunft die Baugrube für das Terminal 3 von Weitem sehen können. Das ist das derzeit größte Bauvorhaben. Die Brücken, hier Rampen genannt, sind vor ein paar Monaten fertig geworden. Das sind bereits die Zu- und Abfahrten. Jetzt setzen wir weitere Infrastrukturmaßnahmen um, arbeiten zum Beispiel auf den Vorfeldern.

Wie groß ist das Volumen für alle geplanten Baumaßnahmen?
Wolfgang Lohde: Das Auftragsvolumen der FAS zum jetzigen Zeitpunkt bewegt sich oberhalb von drei Milliarden Euro.
Bernd Wagenbach: Was ich beachtlich finde: Trotz des enormen Bauvolumens, der Schnelligkeit der baulichen Umsetzung und der Vielzahl an einzelnen Maßnahmen geht es hier im Süden des Flughafens strukturiert und durchdacht voran. Wenn wir uns 2023 wiedersehen, dann werden wir hier inmitten einer modernen Airport-City stehen, die ihresgleichen sucht.
Wolfgang Lohde: (lacht) Wir geben uns Mühe!

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